1986 Mutlangen

1986 Mutlangen

Konzertblockade in Mutlangen: Klassische Musik bis zur Räumung

Jörg Iwer dirigierte die sinfonischen Werke, Albrecht Schmid die Werke mit Chor. Foto: Maria Grieger

Alles begann im Rahmen der westdeutschen Friedensbewegung in den 80er Jahren. Die Atomraketen, die überall im Land stationiert wurden, veranlassten die Menschen zu Protesten. In Mutlangen blockierten Prominente wie Heinrich Böll und sogar Richter und Staatsanwälte das dortige Militärgelände und ließen sich wegtragen. In diesem Zusammenhang stellte man fest, dass das Warten auf die Polizei doch manchmal ganz schön langweilig war, ohne Programm. Also nahm man sich vor, das nächste Mal ein richtiges klassisches Konzert zu organisieren. So gab es auch das erste Flugblatt zur Teilnehmer/innen-Werbung.

Der Name „Lebenslaute“ wurde erfunden von Uwe Painke vom Friedensbüro in Tübingen. Eine bis dahin völlig unbekannte Wortfügung, die neugierig macht.

Für das Aktionskonzert meldeten sich schließlich 120 Personen an. Bei der Vorbereitung spielten von Anfang an Methoden des gewaltfreien Widerstands eine Rolle, die z. T. aus den USA übernommen wurden. Das war besonders die Basisdemokratie mit überschaubaren Bezugsgruppen sowie eine andere Art der Kommunikation als die, die sonst immer in politischen Gruppen vorherrschte: Weniger Diskussionen, hauptsächlich gleichberechtigter Austausch von Gefühlen und Beobachtungen, immer mit dem Ziel, dass jeder und jede gleichberechtigt zu Wort kommt. Am 15.09.1986 war es so weit. Eine Demonstration zog von Mutlangen aus zum Militärlager. Es wurde ein Tag voller Musik, erst um Mitternacht räumte die Polizei.

Federführend beim Aufbau von Lebenslaute waren zur Hälfte Studenten und Studentinnen der Theologie, auf der anderen Seite Student*innen der Musik. Das führte dazu, dass zu Anfang die Bläsergruppe sehr stark war: Blechbläser sind in evangelischen Kirchen beheimatet. Religiöse Musik war zu Anfang stark vertreten, heute wird sie eher vermieden. Und heute haben wir eher Schwierigkeiten, Blechbläser zu finden.

Das Presseecho war erfreulich: Die Dokumentation druckte 19 Artikel daraus. Die Aktion war so erfolgreich, dass man beschloss, sie jährlich zu wiederholen.

Konzertprogramm 1986

14.00 Uhr Eröffnung in Mutlangen

Harald Genzmer: Fanfare (aus einer Musik für 4 Blechbläser)
Andrea Gabrieli: Ricercar

15.00 Eröffnungskonzert

Johann Pachelbel: Kanon in D
Johann Sebastian Bach: Schlusschor aus der h-Moll-Messe: „Dona nobis pacem“
Franz Schubert: Sinfonie Nr. 8 – „Unvollendete“

Chorstücke:
Heinrich Schütz: Die mit Tränen säen
Verleih uns Frieden
Lob und Preis sei Gott
W. Kraft: Man singt mit Freuden
Gott ist unsere Zuversicht und Stärke
I. Faisst: Selig sind die Barmherzigen

Ludwig van Beethoven: Ouvertüre zum Trauerspiel „Egmont“
J. S. Bach: Kantate Nr. 80 „Ein feste Burg“, Chor 5 „Und wenn die Welt voll Teufel wär“

Kammermusik vor den Toren des Depots: W. A. Mozart: Eine kleine Nachtmusik

Abschlusskonzert mit Chorstücken

J. S. Bach: Chor „Man singt mit Freuden“, aus der Kantate BWV 149
W. A. Mozart: Hornkonzert in D
J. S. Bach: 4. Brandenburgisches Konzert
L. v. Beethoven: Egmont-Ouvertüre
J. S. Bach: Dona nobis pacem

Anschließend: Musikalische Nachtwache, u. a. mit Schubert-Oktett, Flötenquartetten von Mozart, Klarinettenquartett von Mozart u. a.

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